Die „guten“ Tapinomas
Tapinoma erraticum und Tapinoma subboreale
Unsere heimischen Ameisenarten – wie Tapinoma erraticum und Tapinoma subboreale – sind von größter Bedeutung für unsere Ökosysteme, üben sie doch wichtige ökologische Funktionen aus wie Dezimierung anderer Kleintiere („Schädlingsbekämpfung“), Beseitigung von toten Tieren, Auflockerung und Durchlüftung des Bodens oder Ausbreitung von Pflanzensamen, ohne die unsere Umwelt weitaus unwirtlicher für uns Menschen wäre (Hier geht es zu unserem allgemeinen Artikel über Ameisen).
So wie es innerhalb der Familie der Hunde unterschiedliche Füchse der Gattung Vulpes gibt – z.B. Rotfuchs = Vulpes vulpes oder Polarfuchs = Vulpes lagopus – so gibt es auch innerhalb der Familie der Ameisen unterschiedliche Arten der Gattung Tapinoma. Nur dass diese aufgrund ihrer großen Anzahl keinen deutschen Namen tragen. So sind weltweit fast 100 Tapinoma-Arten beschrieben. Und auch in Deutschland wuseln zwei heimische Tapinoma-Arten seit jeher in artenreichen sonnenexponierten Offenhabitaten. Dies sind Tapinoma erraticum, auf eher kalkhaltigen Trockenrasen, und Tapinoma subboreale, die auch auf sandigeren trockenwarmen Lebensräumen gefunden werden kann. Beide Arten nutzen ein vielfältiges Nahrungsspektrum, ernähren sich aber vor allem räuberisch bzw. durch das Einsammeln toter Kleintiere sowie von Nektarquellen und Honigtau (Kot von Blattläusen). Anderen Ameisen sind sie im Kampf weit überlegen, da sie ein spezielles Gift produzieren, über das andere heimische Ameisen nicht verfügen. Trotzdem sind beide Arten auf der Roten Liste Deutschlands als gefährdet eingestuft, da Trockenrasen – ihr bevorzugter Lebensraum – in unserer Landschaft kaum noch zu finden sind.

Die Tiere in freier Natur zu unterscheiden ist nahezu unmöglich und selbst für Spezialisten kompliziert. Beide Arten sind schwarz gefärbt und die Arbeiterinnen sind mit 2,5 - 3,5 mm Körperlänge relativ klein. Im Vergleich zu anderen heimischen Ameisen ist die für Ameisen typische Knotenstruktur zwischen Vorder- und Hinterleib nicht sichtbar, sondern vom Hinterleib verdeckt. Bei Tapinoma subboreale ist die Kerbe am vorderen Kopfschild – dem Clypeus – etwas runder und weiter entgegen der etwas engeren und tiefer eingeschnittenen bei Tapinoma erraticum.
Doch selbst wenn man Tapinoma erraticum und T. subboreale auseinander halten kann, muss man inzwischen mit weiteren Tapinoma-Arten in Deutschland rechnen, die vielen heimischen Ameisen und uns Menschen große Probleme bereiten: Tapinoma magnum (Abb. 1) sowie deren nur sehr aufwändig morphologisch unterscheidbaren Zwillingsarten Tapinoma ibericum und Tapinoma darioi. Bei diesen Arten ist das Kopfschild noch tiefer und enger eingeschnitten als bei Tapinoma erraticum, und auch durch die ausgeprägte Größenvariabilität ihrer Arbeiterinnen, zwischen 2 und 4 mm, sind sie von Tapinoma erraticum zu unterscheiden. Tapinoma magnum kommt ursprünglich aus dem westlichen Mittelmeerraum – wahrscheinlich Nordafrika – und breitet sich aktuell rasant in Deutschland aus. 2011 wurde diese in Rheinland-Pfalz das erste Mal offiziell in Deutschland nachgewiesen. Wahrscheinlich wurde und wird sie weiterhin mit Kübelpflanzen aus dem Mittelmeerraum eingeschleppt. Allerdings wurden Tapinoma magnum, T. ibericum und T. darioi lange Zeit nicht als eigene Arten erkannt, sondern zusammen mit Tapinoma nigerrimum als nur eine Art angesehen. Möglicherweise hat sich die Art schon seit der Jahrtausendwende oder eher in Deutschland ausbreitet.
Tapinoma magnum hat traurige Berühmtheit erlangt, da ihre Superkolonien in immer mehr Ortschaften, wie z.B. im baden-württembergischen Kehl, zahlreiche Schäden anrichten. Doch nicht nur der menschlichen Infrastruktur und der menschlichen Psyche kann die Art durch ihre schiere Menge schaden, auch andere Ameisenarten leiden unter ihrer Ausbreitung. Tapinomas können durch ihr besonders giftige Wehrsekret andere Ameisen leicht bezwingen. So bedroht Tapinoma magnum dort, wo sie sich stark ausbreitet, unsere heimischen Ameisen, was uns mindestens genauso beunruhigen sollte wie Stromausfälle und Gebäudeschäden.
Dabei sind die invasiven Superkolonien von Tapinoma magnum eine Geißel, die wir selber heraufbeschworen haben. Zum einem indem wir durch ein wärmeres Klima vielen exotischen Arten die Möglichkeiten gegeben haben auch in unseren Breiten zu überleben. Und zum anderen durch gestörte Ökosysteme, die besonders anfällig für die Ausbreitung anpassungsfähiger und wenig anspruchsvoller invasiver Arten sind. Dazu kommt der globale Handel, durch den Arten ungewollt eingeführt werden. Diese können sich durch das Fehlen von Gegenspielern – wie Fressfeinden und Krankheitserregern – dann unkontrolliert ausbreiten. Tapinoma magnum ist also ein Paradebeispiel, wie unbedachtes und respektloses Verhalten gegenüber der Natur immer wieder auf uns selbst zurückfällt.
Bisher ist Tapinoma magnum hauptsächlich aus dem urbanen Raum bekannt, inwieweit die Art also in naturnähere Lebensräume vordringt, ist noch nicht ganz klar. Es gibt aber bereits Nachweise aus landwirtschaftlichen Flächen. Eine unserer Bunte-Wiese-Aktiven hat eine Kolonie in ihrem Garten und beobachtet, dass sich die für sie vor allem nervigen Ameisen besonders auf dem Asphalt und Beton wohlfühlen. Im Naturgarten haben sich noch keine Straßen durch das hohe Gras gebildet. Sie wird das weiter beobachten und verfolgen - aber die Hoffnung ist, dass sich diese invasive Art in bunten Wiesen vorerst weniger wohl fühlt. Ist doch bekannt, dass artenreiche naturnahe Lebensräume weit weniger störungsanfällig sind als geschädigte artenarme.
Verfasser: S. Görn
Literatur zum direkt Nachlesen
- Höcherl, A. & D. Wanke (2025) Ameisen-Alarm! Tapinoma magnum – wenn kleine Insekten große Probleme machen. Artikel im Science Blog des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart (Link)
- Lebas, C., Galkowski C., Blatrix, R. & P. Wegnez (2019) Die Ameisen Europas. Haupt Verlag
- Seifert, B. (2007) Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas. Lutra Verlag
- Seifert, B. (2018): The ants of Central and North Europe. Lutra Verlag