Die Ameisen (Formicidae)
Diesen Monat möchten wir einen kleinen Einblick in die facettenreichen Lebensweisen von Ameisen geben. Die Ameisen (Formicidae) gehören zusammen mit den Wespen, Bienen und Hummeln zu der Familie der Hautflügler (Hymenoptera). Sie sind xerothermophil, das heißt sie bevorzugen trockene und warme Standorte, wie z.B. Trockenrasen, Laub- und Nadelwälder mit steilen Südhängen und generell Orte, auf die oft die Sonne scheint, und genug Totholz, Steine, Büsche und Ähnliches vorhanden sind.
Ein Ameisenstaat ist hierarchisch aufgebaut und besteht aus mindestens drei Kasten: Die Königin, die Arbeiterinnen und die Männchen. Die Ameisenkönigin produziert Nachkommen, und ist die einzige fruchtbare in der Kolonie. Sie besitzt zunächst Flügel, verliert diese jedoch nach der Befruchtung. Die flügellosen Arbeiterinnen bzw. Soldatinnen kümmern sich ansonsten so ziemlich um alles: Brutpflege, Nahrungsbeschaffung, Feinabwehr und den Ausbau und Erhalt des Nestes. Die geflügelten Männchen sind nur für die Begattung der Königin da und sterben ab, sobald sie ihren Zweck erfüllt haben. Ein Ameisenstaat kann aus bis zu mehreren Millionen Individuen bestehen.
Die Ernährungsstrategien von Ameisen sind vielfältig und teilweise komplex und werden hier deshalb nur kurz erläutert. Ameisen, die sich von anderen Tieren ernähren, sei es durch Jagen oder als Aasverwerter, werden als zoophag bezeichnet. Spinnen, Fliegen, Zikaden, Schmetterlingsraupen und Blattwespen werden beispielsweise von Ameisen gejagt. Sie sind aber auch gute Leichenbeseitiger. Rein zoophage Arten sind in Mitteleuropa jedoch selten. Generell besteht die Ernährung von Ameisen aus einer Mischung von diverser Nahrung. Manche Arten sind aber auch auf bestimmte Nahrungsformen spezialisiert. Das sind solche Ameisen, die so kräftige Mandibeln haben, dass sie Pflanzen anschneiden und so direkt an den nahrhaften Pflanzensaft herankommen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Rote Gartenameise (Myrmica rubra) (Abb. 1) Diese Ernährungsform ist weit verbreitet, stellt aber auch hier meist nur einen Teil der kompletten Nahrungspalette dar. Granivore Ameisen (z.B. Messor structor) haben sich auf die Verwertung von Samen spezialisiert. Mit ihren großen und starken Mandibeln sind sie in der Lage, hartschalige Samen zu zerkleinern und mit ihrem Speichel zu Glucose aufzuspalten.
Besonders interessant ist jedoch die Nahrungsbeschaffung durch eine Trophobiose mit Honigtauerzeugern. Als Honigtau wird das Endprodukt im Darm von Insekten bezeichnet, die mit ihren langen Rüsseln direkt den Phloemsaft von Pflanzen abzapfen. Dazu gehören beispielsweise Blattläuse, Blattflöhe, Zikaden usw. Ameisen können mit solchen Insekten eine Wechselbeziehung eingehen, die als Trophobiose bezeichnet wird. Die Honigtauerzeuger lassen sich von den Ameisen „melken“, indem sie ihnen den Honigtau aus dem Enddarm entnehmen lassen (Abb. 2). Der Honigtau ist sehr reich an Zuckern und Aminosäuren und damit sehr von den Ameisen begehrt. Die Honigtauerzeuger haben aber auch oft einen Vorteil von dieser Beziehung. Einerseits sorgt das Abmelken des Honigtaus für eine bessere Hygiene, und außerdem vertreiben die Ameisen oft die Fressfeinde der Honigtauerzeuger und bieten ihnen dadurch einen gewissen Schutz.
Als Kleptobionten werden jene Ameisen bezeichnet, die anderen Arten ihre Beute stehlen. Die Art Solenopsis fugax beispielsweise, besteht aus sehr kleinen Ameisen, die Scouts losschicken, um nach der Beute anderer Ameisen zu suchen. Wurde ein Ziel gefunden, werden zahlreiche Artgenossen rekrutiert und zum Ort geführt. Dort geben sie bestimmte Stoffe aus ihren Giftdrüsen ab, die die anderen Ameisen abschrecken, wodurch sie sich einfach die bereits erlegte Beute schnappen können.
Die wahrscheinlich spannendsten Aspekte der Ameisen sind jedoch ihre Ausbreitungsstrategien, also die Gründung von neuen Ameisenkolonien. Hier haben sich ein paar faszinierende Strategien entwickelt.
Zum einen kann die Koloniegründung unabhängig stattfinden, das heißt, eine begattete Königin zieht los um eine neue Kolonie zu gründen. Sie muss erst einmal ein paar Junglarven zu Erstarbeiterinnen großziehen, die dann helfen, die Kolonie aufzubauen. Fast 70% der mitteleuropäischen Ameisen gründen so ihre Kolonien.
Bei Waldameisen geschieht die Ausbreitung vorwiegend durch die Bildung von Zweignestern. Dabei existieren in einer Kolonie mehrere Königinnen, die dann einen Teil der Arbeiterinnen mitnehmen und an einem anderen Ort (aber nicht allzu weit entfernt), neue Nester gründen. Irgendwann entsteht dadurch ein dichtes Netz von Kolonien.
Die Alternative zur der unabhängigen Ausbreitung ist die Ausbreitung durch Sozialparasitismus. Dabei wird das Sozialsystem anderer Ameisenarten für die eigene Koloniegründung genutzt.
Dies kann auf mehreren Wegen passieren. Eine Parasitenkönigin kann zum Beispiel auf diverse Arten den Duft der Wirtskolonie annehmen und so ungestört in das Nest eindringen, ohne als Feind erkannt und angegriffen zu werden. Sie können sogar in manchen Fällen bestimmte Pheromone abgeben, sodass die Arbeiterinnen der Wirtskolonie sich bevorzugt um die Parasitenkönigin und deren Nachwuchs kümmern, und die eigene Königin vernachlässigen. Meist wird die Königin der Wirtspopulation dann von der Parasitenkönigin getötet und das Nest so übernommen.
Es gibt aber auch Arten, wie zum Beispiel Leptothorax kutteri, die sich mit Hilfe ihrer Pheromone nicht tarnen, sondern dafür sorgen, dass sich die Arbeiterinnen der Wirtspopulation gegenseitig angreifen. Die Parasitenkönigin nutzt das Chaos und schleicht sich an die Wirtskönigin an und tötet diese. In der selben Zeit, übernimmt sie auch den Duft des Wirtes und kann damit nicht mehr als Eindringling erkannt werden.
Ebenfalls sehr clever geht Lasius mixtus vor. Sie versucht nicht sofort ein Wirtsnest zu übernehmen, sondern wartet bis zum Winter. Bei kalten Temperaturen sind die Arbeiterinnen der Wirtspopulation nämlich viel weniger aggressiv. Sie kann dann also ganz in Ruhe und ohne Gefahr, in das Nest eindringen und den Duft des Wirtes übernehmen.
Eine etwas andere Form des Sozialparasitismus stellt der Sklavenraub dar. Dabei kann man zwischen fakultativen und obligatorischen Sklavenräubern unterscheiden. Arten, die fakultativ Hilfsarbeiterinnen halten, (z.B. Formica sanguinea) rauben sie gelegentlich aus ihren Nestern, und ziehen sie bei sich in der eigenen Kolonie auf. Allerdings ist F. sanguinea nicht von dieser Sklavenhaltung abhängig, sondern benutzt sie als kleine Unterstützung zu der eigenen Kolonie. Obligatorische Sklavenräuber sind hingegen komplett auf ihre Sklaven angewiesen. Diese Arten sind zu „Kampfmaschinen“ umgebaut, die auf das Plündern anderer Nester spezialisiert sind. Damit können sie sich zwar gut Sklaven beschaffen, aber gleichzeitig auch nicht mehr die anderen Aufgaben von Arbeiterinnen erledigen. Sie brauchen die Sklaven also für den Bau und Erhalt des Nestes, Brutpflege, sowie für die Nahrungsbeschaffung, weil sie diese Aufgaben selbst nicht mehr erfüllen können.
Verfasserin: J. Hein