Zum Hauptinhalt springen

Auswirkungen künstlichen Lichts auf die Biosphäre


Was ist „Lichtverschmutzung“?

Anders als bei den Begriffen „Umweltverschmutzung“ oder „Luftverschmutzung“, bei denen der erste Wortteil charakterisiert, was verschmutzt wird, wird der Begriff „Lichtverschmutzung“ anders verwendet. Hier geht es nicht um Licht, das durch ein anderes Agens verschmutzt wird, sondern darum, dass Dunkelheit durch Licht „verschmutzt“ wird, es geht also um die unerwünschte Wirkung künstlicher Beleuchtung. Man unterscheidet dabei direkte und indirekte Lichtverschmutzung: Direkte Lichtverschmutzung stellt die unnötige Raumaufhellung und Blendung in der Nähe einer Lichtquelle dar, indirekte Lichtverschmutzung entsteht durch die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen, deren Licht an der Atmosphäre (genauer: an Wolken, Nebel, Aerosolen und Staubpartikeln) reflektiert wird. Dadurch entstehen Skyglow (Himmelsaufhellung) und Lichtglocken über Städten. Eine Folge ist, dass über Großstädten nur noch 100–150 Sterne zu sehen sind; ohne Skyglow wären es 3.000–6.000. Die nächtliche Beleuchtungsintensität nimmt in Europa momentan jährlich um 7 % zu, es ist daher kein Wunder, dass es nirgends in Europa noch einen natürlichen Nachthimmel gibt und nur die wenigsten Menschen von ihrem Wohnort aus die Milchstraße sehen können.

Kurz und bündig...

  • Man unterscheidet direkte und indirekte („Skyglow“-)Lichtverschmutzung.
  • Nächtliches Licht hat verschiedene negative Auswirkungen auf die Biosphäre. Beim Menschen spielt Melatonin eine zentrale Rolle. 
  • Für viele Insekten stellt die Beleuchtungsstärke einer Vollmondnacht (0,3 lux) den Schwellenwert für verändertes Verhalten dar; eine Garten-Solarleuchte ist mit 30 lux 100-mal heller.
  • Durch die zunehmende nächtliche Beleuchtung sind nachtaktive Insekten mit Lebensbedingungen konfrontiert, welche ihnen das Überleben erschweren bzw. unmöglich machen.
  • Die Umstellung auf LED-Leuchtmittel bietet Vorteile, birgt aber auch bestimmte Risiken, unter anderem den Blauanteil der bisher eingesetzten LED-Straßenlampen.
  • Lichtverschmutzung wird minimiert, wenn folgende Fehler vermieden werden: zu viel, zu hell, zu ungerichtet, zu blau, zu lang und zu nutzlos.
Stuttgart bei Nacht. Gut zu erkennen ist die indirekte Lichtverschmutzung, auch Skyglow genannt. Foto: S. Böttinger

Die Maßeinheit „Beleuchtungsstärke“

Eine gängige optische Maßeinheit ist die Beleuchtungsstärke, die den auf eine bestimmte Fläche einfallenden Lichtstrom beschreibt und in lux angegeben wird. An einem Sommertag herrschen im Freien 100.000 lux, an einem bewölkten Sommertag sind es 20.000 lux, wohingegen an einem bewölkten Wintertag noch 3.500 lux herrschen. In einem Büro sind tagsüber ca. 500 lux zu verzeichnen und unter einer Straßenlaterne sind nachts am Boden noch 10–30 lux zu messen. Natürlicherweise variiert die nächtliche Beleuchtungsstärke aber nur zwischen 0,3 (Vollmondnacht) und 0,001 lux (Nachthimmel bei Neumond). All die beschriebenen Beleuchtungsstärken kann unser Auge wahrnehmen; da sich der Bereich über neun Zehnerpotenzen erstreckt, ist die Empfindlichkeit unseres Auges logarithmisch, das heißt, wenn eine Lichtquelle nur noch ein Zehntel so hell ist wie zuvor, erscheint sie uns halb so hell.


Lichtwahrnehmung im Auge

Dass es in der Netzhaut (Retina) unserer Augen drei verschiedene Sinneszelltypen für das Farbsehen bei Tage (die „Zapfen“) und einen für das Nachtsehen gibt (die „Stäbchen“), ist Schulwissen. Dass aber Anfang der Nuller-Jahre eine dritte Klasse retinaler Photorezeptoren entdeckt wurde, ist weniger bekannt. Diese tragen die schier unaussprechliche Bezeichnung „intrinsisch photosensitive Melanopsin exprimierende retinale Ganglienzellen“. Diese Zellen beinhalten das Protein Melanopsin (nicht zu verwechseln mit dem Melatonin), was sie lichtempfindlich macht. Trifft energiereiches (Blau-)Licht auf diesen Rezeptortyp, geben die Zellen ein Nervensignal ab, das ins Gehirn wandert und in der Zirbeldrüse die Ausschüttung des „Schlafhormons“ Melatonin unterbindet.

Beleuchtetes Bürogebäude. Foto: S. Böttinger

Auswirkungen künstlichen Lichts auf den Menschen

Vor der Nutzung künstlichen Lichts traf ab dem Abend kein Licht mit hohem Blauanteil mehr in unsere Augen, die „unaussprechlichen“ Sinneszellen feuerten nicht mehr, die Malatoninproduktion wurde nicht mehr gehemmt, Melatonin wurde also in den Körper ausgeschüttet und wir wurden müde. Heutzutage ist bei vielen Menschen aber der Tag zu dunkel (Büro) und die Nacht zu hell (Bildschirme). Solange wir künstlichem Licht mit hohem Blauanteil ausgesetzt sind, wird im Gehirn kein Melatonin ausgeschüttet und wir können nur schlecht einschlafen. Deshalb macht die Verwendung von Blaulichtfiltern bei der nächtlichen Nutzung von Bildschirmen überaus Sinn.

Aber Melatonin hat noch eine zweite, stammesgeschichtlich viel ältere Funktion in unseren Zellen: Es hilft, oxidativen Stress zu minimieren. Daher wundert es nicht, dass in Studien gezeigt wurde, dass künstliches Licht mit hohem Blauanteil, das die nächtliche Ausschüttung von Melatonin verhindert, Reparaturvorgänge im Körper hemmt. Es erhöht außerdem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Adipositas sowie Depressionen und schwächt das Immunsystem. Schließlich wurde (in 15 von 19 Studien) festgestellt, dass in Gebieten, die nachts besonders hell sind, 20 % mehr Tumore (Blase, Prostata, Gebärmutter) auftreten. Streng wissenschaftlich gesehen begründen diese Daten aber nur den Verdacht, dass nächtliche Lichtexposition eine nachteilige Wirkung auf die Gesundheit hat, für die Hypothese liegen noch keine echten Nachweise vor (eine Gleichzeitigkeit darf nicht mit einer Kausalität gleichgesetzt werden).

Auswirkungen künstlichen Lichts auf Insekten

Um die Auswirkung von künstlichem Licht auf Insekten einschätzen zu können, muss man wissen, dass über 50 % aller Insektenarten dämmerungs- oder nachtaktiv und damit ihre Augen an Schwachlicht (also maximal 0,3 lux) angepasst sind. Künstliches nächtliches Licht wirkt auf viele Insekten anziehend, man spricht hier auch vom Staubsaugereffekt, durch den Insekten von hellen Lichtquellen aus der Umgebung angezogen werden. An einer Lampe kann dann allerhand passieren: Insekten können durch die Hitze des Leuchtmittels verbrennen und viele Lampengehäuse wirken wie Fallen, aus denen die Insekten nicht mehr herausfinden. Die Insekten erschöpfen durch den dauernden Flug um die Lampe und fallen dort außerdem noch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Beutegreifern zum Opfer. Schließlich können sie in der Zeit, während der sie um eine Lampe kreisen, nicht ihrer eigentlichen Tätigkeit (wie Nahrungs- und Partnersuche) nachgehen.

In vielen Studien wurde an verschiedenen Insektenarten inklusive ihrer Entwicklungsstadien gezeigt, dass nächtliches Licht die verschiedensten Verhaltensweisen negativ beeinflusst, als da sind: Orientierung, Nahrungsaufnahme, Aktionsradius, die zeitliche Synchronisation, Ruhephasen, Entwicklung, Fortpflanzung und Räuber-Beute-Beziehungen.

Neben der Anlockwirkung künstlichen Lichts gibt es übrigens auch noch die Barrierewirkung von Licht. Es gibt Insektenarten, die Licht generell meiden, und für die stellen lange Reihen von Straßenlaternen eine Barriere dar, die sie nicht überwinden können. Sie sind dann stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.

Zum Einfluss von nächtlichem künstlichem Licht auf Insekten gibt es also viele Daten. Führt dieses Licht aber auch zum Aussterben von Arten, oder, etwas wissenschaftlicher ausgedrückt, wirkt es auch auf Populationsebene? Hierzu Studien durchzuführen, ist methodisch nicht einfach und dementsprechend gibt es auch nur wenige. Bei einer 2018 veröffentlichten Studie wurden aber im gleichen Biotop über 30 Jahre hinweg Nacht- und Tagfalter verglichen – und tatsächlich zeigten Nachtfalter, die von Licht angezogen werden, über den Untersuchungszeitraum einen signifikant stärkeren Populations-Rückgang als die Tagfalter. Es gibt also erste Hinweise, dass künstliches Licht auch auf Populationsebene negative Auswirkungen auf Insekten hat. Besonders gefährdet sind dabei Arten, die zum einen nur noch in isolierten Populationen mit geringer Reproduktionsrate vorkommen sowie standorttreu und wenig mobil sind und zum anderen Arten, bei denen viele Weibchen angelockt werden und die als erwachsenes Insekt nur kurze Zeit leben.

Exkurs: Warum fliegen Insekten zum Licht?

    Die bisher favorisiere Theorie war, dass nachtaktive Insekten um geradeaus zu fliegen zu der weit entfernten Lichtquelle Mond einen konstanten Winkel einhalten. Künstliche Lichtquellen werden mit dem Mond verwechselt. Da sie jedoch viel näher sind, fliegen Insekten bei dem Versuch, zur Lampe einen konstanten Winkel zu halten, in einer Spirale auf sie zu.

    In einem 2024 in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications erschienen Artikel wird die neue These vertreten, dass sich Insekten stets so ausrichten, dass ihr Rücken der Lichtquelle zugewandt ist. Dieser sogenannte Lichtrückenreflex ist bereits von anderen Tiergruppen, zum Beispiel Fischen, bekannt. Durch diesen Reflex können Insekten eine horizontale Fluglage einnehmen, denn üblicherweise ist in ihrer Umwelt – auch nachts – der Himmel die hellste Stelle. Bei einer Lampe sorgt der Reflex für ein ewiges Kreisen um das Licht, bei dem, wie in der Studie beobachtet wurde, der Rücken zum Licht und die Beine nach außen weisen. Befindet sich die Lichtquelle auf dem Boden, fliegen Insekten mit dem Rücken nach unten weiter (und stürzen dann ab).

    All die anderen Erklärungsansätze würden nicht die charakteristische Fluglage und das pausenlose Kreisen erklären. Nach der „Mond-Theorie“ müssten Insekten spiralförmig auf eine künstliche Lichtquelle zukreiseln, was in der neuen Studie jedoch gerade nicht beobachtet wurde. 

Des einen Leid, des anderen Freud?

Aber profitieren dann wenigstens Beutegreifer davon, dass Insekten durch Lampen angezogen werden? Auch hier muss eingeschränkt werden. Zwar konnte nachgewiesen werden, dass Spinnen in Städten ihre Scheu vor Licht verlieren und unter Lampen ihre Netze spannen, aber es wurde auch festgestellt, dass für Spinnen das Risiko steigt, während der Häutung zu sterben, wenn sie zu schnell an Gewicht zunehmen (auf gut deutsch: wenn sie sich unter den Laternen überfressen).

Auch für Fledermäuse bringt nächtliches Licht nicht nur Vorteile. Es gibt einzelne Arten, die an Straßenlaternen leichte Beute machen. Aber alle Fledermäuse reagieren in der Nähe ihrer Quartiere sensibel auf Licht und Wald-Fledermausarten mögen generell kein Licht. Außerdem muss man bedenken, dass an Lampen erbeutete Insekten Fledermausarten in dunklen Gebieten nicht mehr zur Verfügung stehen und damit der Jagdvorteil anpassungsfähiger Arten zur Verdrängung der dunkelheitsliebenden Arten führt.




LED-Licht

Modernes LED-Licht hat den Vorteil, dass im Vergleich zu Glühlampen erhebliche Energiemengen eingespart werden (als Daumenregel gilt der Faktor 8: Wo man früher eine 100 Watt-Glühbirne benutzt hat, reicht heute ein 12 Watt-LED-Leuchtmittel). Aufgrund ihrer Fokussier- und digitalen Steuerbarkeit hat LED-Technik außerdem das Potenzial, Streulicht und Lichtverschmutzung gezielt einzudämmen. Weil LED-Licht aber so billig ist, kommt es zu einem Rebound-Effekt, das heißt, LED-Licht wird vermehrt/zu hell eingesetzt. Dies führt zum Beispiel dazu, dass LED-Straßenleuchten heute doppelt so hell sind wie Straßenlaternen vor 30 Jahren.

Und wie wirkt LED-Licht auf Insekten? In einer ersten Studie von 2011 wurde LED-Licht eine viel geringere Anlockwirkung attestiert als den bis dahin gängigen Leuchtmitteln. Diese Studie hatte aber einige Schwächen und in der Folge erschien eine Reihe weiterer Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Konsens ist heute, dass es auf die spektrale Zusammensetzung, die Beleuchtungsstärke und die Lichtverteilungskurve der LED-Lampe ankommt. Kurzwelliges Licht mit hohem Blauanteil, wie es, je nach verwendetem LED-Leuchtmittel, auch in modernen Straßenleuchten vorkommen kann, ist für die meisten Insektenarten nachteilig.

Spinnennetz an einer LED-Straßenleuchte. Foto: S. Kress

Moderne LED-Straßenbeleuchtung mit neutralweißem Licht. Foto: S. Kress

Verbesserungsmaßnahmen

Für die Straßenbeleuchtung, aber auch für den privaten Bereich, gilt, dass man von einer blendenden, verschwenderischen Beleuchtung zu einer zielorientierten, effizienten Beleuchtung kommt. Das heißt, dass die Leuchte nach oben hin abgeschirmt sein muss und ihr Licht nur zielgerichtet nach unten abgibt. In einem zweiten Schritt muss die Helligkeit reduziert werden; an Hauptstraßen reichen am Boden 15 lux aus, in Wohngebieten sogar nur 3 lux. Des Weiteren ist auf die Lichtfarbe zu achten. Hierzu muss man wissen, dass die Empfindlichkeit vieler Insektenaugen im Vergleich zu unseren in den energiereichen Bereich verschoben ist: Viele Insektenaugen können das für uns unsichtbare energiereiche UV-Licht wahrnehmen und sind auch für blau sehr empfindlich, für sie ist das am anderen Ende des sichtbaren Lichtspektrums befindliche rote Licht aber praktisch nicht mehr wahrnehmbar. Daraus folgt, dass ein insektenschonendes Leuchtmittel nur einen möglichst geringen Blauanteil haben darf, es darf also eine Lichtfarbe vom maximal 3.000 Kelvin (warmweiß) aufweisen. In ökologisch wichtigen Gebieten (also etwa in der Nähe von Wald, Gewässern oder Wiesen) darf die Lichtfarbe nur 1.800 Kelvin betragen; das Licht ist dann orange oder bernsteinfarben (englisch: amber). Dieses Licht hat überhaupt keinen Blauanteil mehr und wird daher von vielen Insekten kaum noch wahrgenommen.  Und schließlich muss bedarfsgerecht beleuchtet werden, das heißt, in den späten Nachtstunden, wenn nur noch wenige Menschen unterwegs sind, kann die Beleuchtung noch einmal deutlich (um mindestens 70 %) reduziert werden.

Und noch ein Wort zu Garten-Solarleuchten: Im heimischen Garten und auf der Terrasse sollte nachts im Sommer möglichst kein künstliches Licht eingesetzt werden. Ganz schlecht sind Gartenleuchten, die nicht abschaltbar sind. Sie laden sich tagsüber auf, leuchten nachts mit 30 lux und sind dann so lange an, bis es wieder hell wird oder der Akku erschöpft ist. Diese Billigleuchten haben den weiteren Nachteil, dass sie oft nur ein paar Hundert Aufladezyklen überdauern, nach circa zwei Jahren daher nicht mehr funktionieren und dann Elektroschrott sind. 
 Wer nicht auf Gartenleuchten verzichten kann, sollte also nur solche verwenden, die abschaltbar sind und die dann tatsächlich auch ausgeschaltet werden, wenn das Licht nicht mehr benötigt wird (also wenn man den Garten/die Terrasse verlässt). Wenn die Solarleuchte verschiedene Farben produzieren kann, sollte man sie unbedingt in den Farbtönen gelb, orange oder rot verwenden, denn diese Farben können, wie oben ausgeführt, viele Insektenarten nicht wahrnehmen (rot am wenigsten), das heißt, dieses Licht stört viel weniger. Im Gegensatz dazu sollten blau und violett unbedingt vermieden werden, denn für diese Farbtöne sind viele Insekten extrem empfindlich.

Verfasser: Dr. Stefan Kress, NABU Stuttgart, 10/2024

Nach oben