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Die Bärtierchen (Tardigraden) sind los

 

Vom Grund des Meeres bis zum Himalaya, in heißen Quellen aber auch direkt vor unserer Haustür. Sie sind überall, und doch haben die meisten Menschen sie noch nie mit eigenen Augen gesehen. Von den Tardigraden (lat.: tardus = langsam, gradi = schreiten), die wegen ihres Aussehens auch Bärtierchen genannt werden, haben viele schon gehört, sie aber nie selbst wahrgenommen. Grund dafür ist hauptsächlich ihre Größe, die in vielen Fällen nicht mehr als einen Millimeter beträgt.

Ihre Entdeckung am Ende des 18. Jahrhunderts führte zu hitzigen Diskussionen, wo die Tardigraden im System der Tiere einzuordnen sind. Da sie zahlreiche einzigartige Merkmale besitzen, werden die Bärtierchen heutzutage als besonderer Entwicklungszweig angesehen und als eigener Stamm neben den Gliederfüßern (Arthropoda) und Stummelfüßern (Onychophora) geführt.

Die winzigen Achtbeiner sind meist farblos, jedoch findet man je nach Art auch gelbe, braune, rote, grüne und sogar schwarze Bärtierchen (Abb. 1 und 2). Grund dafür sind die unterschiedlichen Ernährungsweisen, die von einfachen Algen, bis zu Rädertierchen, Nematoden und sogar anderen Tardigraden reichen. Die Pigmente aus der Nahrung werden in ihre Haut eingelagert, wodurch die unterschiedlichen Färbungen zustande kommen.

Abbildung 2: Exemplar eines Braunen Bärtierchens (Milensium spec.). Foto: Jenny Michel.

 

Die häufigste Form der Kryptobiose ist die sogenannte Anhydrobiose, die einsetzt wenn der Lebensraum austrocknet. Sobald das Wasser knapper wird, zieht sich das Bärtierchen zusammen und nimmt die Gestalt einer Tonne an, weshalb diese Überdauerungsform auch als Tönnchen-Stadium bezeichnet wird (Abb. 4).

Wenn sich Bärtierchen im Tönnchen-Stadium befinden können sie so lange überdauern bis die Umweltbedingungen wieder besser werden. Allerdings ist dies nur dann erfolgreich, wenn die Austrocknung langsam stattfindet und die Tiere genug Zeit haben, sich zusammenzuziehen. Eine zu schnelle Austrocknung führt daher meist zum Tod der Organismen.

Während des Tönnchen-Stadiums überleben die Tiere kurzzeitig Temperaturen von 96°C bis -272°C und können sogar teilweise einer 24 stündigen Bestrahlung mit 570000 Röntgen standhalten (500 Röntgen reichen bereits, dass 50% aller Menschen sterben).

Durch ähnliche Mechanismen wie bei der Anhydrobiose können Tardigraden kritischen Sauerstoffmangel (Anoxybiose), extrem niedrigere Temperaturen (Kryobiose) und hohe Salzkonzentrationen (Osmobiose) überleben.

Abbildung 4: Bärtierchen im Tönnchen-Stadium. Foto: Hannes Pleyer.

Literatur zum direkt Nachlesen

  • Hatmut Greven (1996): Die Bärtierchen. Verlag A. Ziemsen. 3. überarb. Auflage, 104 S. 
Abbildung 1: Exemplar von Hypsibius exemplaris. Foto: Hannes Pleyer.

Die Fortpflanzungsstrategien dieser Tiere sind ebenfalls sehr breit gefächert. So legen Tardigraden Eier, welche sowohl mit, als auch ohne Befruchtung Nachkommen hervorbringen. Die Befruchtung, wenn vorhanden, kann entweder innerlich oder äußerlich stattfinden. Bei der inneren Befruchtung lässt sich sogar ein Paarungsspiel beobachten, bei dem das Männchen um das Weibchen herumkreist und sie an bestimmten Stellen berührt. In Fällen von äußeren Befruchtungen kann man beobachten, wie sich mehrere Männchen an das viel größere Weibchen klammern und erst wieder loslassen, sobald die Eier abgelegt wurden. Oftmals werden diese Eier in die letzte Häutung des Weibchens gelegt, um sie zu schützen (Abb. 3).

Wo genau kann man nun Bärtierchen finden? Generell leben sie überall wo es Wasser gibt, im Meer, in Süßwassern aber auch an Land, wo es feuchter ist, wie auf Wiesen, in Moosen und Flechten.  Allerdings gibt es an Land Perioden von Trockenheit, die die „terrestrischen“ Tardigraden mit der sogenannten Anhydrobiose überstehen. Etwas wozu die im Meer und Süßwasser lebenden Bärtierchen nicht in der Lage sind. In diesem Fall ist jedoch der Begriff „terrestrisch“ nicht sehr passend, da die Tardigraden trotzdem ausschließlich im Wasser leben. Sie sind nur dann aktiv, wenn ihr Körper von allen Seiten mit Wasser in Berührung steht. 

Die interessanteste Eigenschaft der Bärtierchen ist ihre Fähigkeit, mit Hilfe von Überdauerungsstadien extremste Umweltbedingungen zu überleben. In dem als Kryptobiose bezeichnetem Stadium zeigt das Bärtierchen keine sichtbaren Zeichen von Leben und sein Stoffwechsel ist entweder kaum vorhanden oder befindet sich sogar reversibel im Stillstand.

Abbildung 3: Tardigradeneier abgelegt in der Häutung des Weibchens. Foto: Hannes Pleyer.

Die Zeit, die Bärtierchen in Kryptobiose verbringen, wird nicht von ihrer Gesamtlebenszeit abgezogen. Während ihre Lebensdauer je nach Art 3 Monate bis zweieinhalb Jahre beträgt, können sie Jahrzehnte in ihrem Tönnchen-Stadium überdauern. In einem Fall konnte sogar ein Bärtierchen nach 120 Jahren aus der Anhydrobiose zurück ins Leben geholt werden! Die maximale Dauer die ein Bärtierchen so überdauern kann um dann wiederbelebt werden zu werden, ist jedoch noch nicht bekannt.

Wer selbst einmal Bärtierchen fangen und beobachten möchte, kann dies ganz einfach tun: Dafür nimmt man einfach eine kleine Probe von dem Substrat, in dem man die Bärtierchen vermutet (nasses Laub, Moose usw.) und schwemmt diese mit Wasser auf. Die Probe wird dann in dem Wasser aufgeschüttelt oder ausgepresst und das Wasser in eine Petrischale gegeben. Bei 10- bis 50facher Vergrößerung kann man dann nach den Tierchen suchen. Da die meisten Tardigraden farblos sind, eignet sich Auflicht und ein dunkler Untergrund besonders gut um diese zu Erkennen.

Bärtierchen auf Nahrungssuche. Video: J. Michel

Verfasserin: J. Michel

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