Eucharis adscendens - Inkognito im Ameisenstaat
Hört man die Beschreibung unseres Wiesenbewohners, könnte man meinen, in einem Agentenfilm gelandet zu sein: Die seltsam geformten, bunt metallisch schimmernden ausgewachsenen Tiere (Abb. 1) sind nur an wenigen Wochen im Jahr aktiv, ihre winzigen Larven verfügen über ein sehr effektives Nervengift, dass sie nutzen, um sich in Ameisennester einzuschleichen wo sie fast ein ganzes Jahr in einer Ameisenlarve verborgen ruhen, bis sie ihre Entwicklung zum geschlechtsreifen Tier abgeschlossen haben. Die Rede ist von Eucharis adscendens, einer etwa 4-6 mm großen (oder kleinen) parasitoiden Wespe. Sie gehört zur Familie der Eucharitidae, die in Deutschland nur unter ihrem wissenschaftlichen Namen bekannt ist. Von den ca. 430 weltweit bekannten Arten sind nur zwei in Deutschland nachgewiesen und diese finden sich auch nur selten und an sehr warmen Standorten mit lockerem Pflanzenbewuchs. Vermutlich würde man sie als “Ameisen-Erzwespen” bezeichnen, da sie zur Überfamilie der meist bunt-metallisch schimmernden Erzwespen (die farblich an Metallerze erinnern, Abb. 2) gehören und für ihre Entwicklung auf das Vorkommen bestimmter Ameisen-Arten angewiesen sind.
Eucharitidae erinnern trotz ihrer eher kleinen Körpergröße ein wenig an fliegende, metallisch glänzende Hanteln. Sie besitzen einen kräftigen, hoch gewölbten Vorderkörper mit kleinem Kopf, der Hinterleib sitzt an einer stielförmigen Einschnürung (Petiolus genannt, Abb. 1). Bei Eucharis adscendens ist dieser Stiel bei den Männchen etwas länger und der Hinterleib kleiner als bei den Weibchen. Auffällig ist das auf- und absteigende Flugbild. Zu finden sind die als Imago bezeichneten geschlechtsreifen Weibchen und Männchen nur an wenigen Wochen im Jahr, von Mitte Juni bis Mitte Juli können lokal auch größere Schwärme auftreten. Nach der Paarung legen die Weibchen mehrere hundert etwa 0,2 mm lange Eier an ungeöffnete Blütenknospen verschiedener Pflanzen wie Sichelmöhre, Wilder Möhre und Berg-Haarstrang. Wenn sich nach wenigen Tagen die Blüten öffnen, schlüpfen auch die 0,15 mm großen Larven aus den Eiern. Diese sind im Gegensatz zu den folgenden eher madenförmigen Larvenstadien tropfenförmig abgeflacht, besitzen spitze Mundwerkzeuge und sind sehr beweglich. Nehmen sie Bewegungen oder eine Veränderung des Lichts wahr, nehmen sie eine aufgerichtete Lauerstellung ein und beginnen sofort auf die Quelle der Bewegung hinauf zu klettern. Ursprünglich nahm man an, dass sie sich so an blütenbesuchende Ameisen festklammern um sich von ihnen in die Nester der Ameisen tragen zu lassen. Neue Studien zeigen jedoch, dass die Larven ein sehr wirksames Nervengift besitzen, das auch die um ein vielfaches größeren Ameisen binnen kurzer Zeit töten kann. Nun wird vermutet, dass so auch andere blütenbesuchende Insekten getötet werden und deren Kadaver dann mitsamt der daran sitzenden Larven von Ameisen auf Nahrungssuche eingesammelt und in das Ameisennest getragen werden. Im Ameisennest angekommen, bewegen sich die Larven von Eucharis ascendens schnellstmöglich zu den Larven der Ameisen und ruhen an oder in den Ameisenlarven versteckt bis diese sich verpuppen, dies kann mehrere Monate bis zu einem Jahr dauern. Dann beginnt die Entwicklung der Eucharis adscendes Larve, als Nahrung dient ihr die nun verpuppte Ameisenlarve. Dies wird auch als parasitoide Lebensweise bezeichnet, da das Wirtsinsekt durch das parasitoide Insekt getötet wird (im Gegensatz zu Parasiten, deren Wirte im Regelfall überleben). Parasitoide spielen eine wichtige Rolle in Ökosystemen, da sie helfen das Gleichgewicht zwischen vielen Arten aufrecht zu erhalten und das Überhandnehmen von einzelnen Arten zu verhindern. Als Wirtsameisen für Eucharis adscendens dienen verschiedene, häufig wärmeliebende Waldameisenarten der Gattung Formica. Bevorzugte Lebensräume sind warme, sonnenbeschienene Ruderalflächen mit lockerer Vegetation (Abb. 3), wie sie zum Beispiel auf Trockenrasen, Tagebaugebieten und alten Steinbrüchen zu finden sind. Dort sind häufig auch andere, eher selten vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu finden, die sich auf diese extremen Standorte spezialisiert haben.
Literatur zum direkt Nachlesen
- Creutzburg, F. & Müller, J. 2019. Eucharis adscendens (Fabricius, 1787) und Stephanus serrator (Fabricius, 1798) - selten gefundene Parasitoide (Insecta: Hymenoptera: Chalcidoidea & Stephanoidea). Thüringer Faunistische Abhandlungen XXIV, S. 219-229.
- van Noort, S. & Broad, G. 2024. Wasps of the World - A Guide to every Family. ISBN: 9780691238548
- Nuß, A. & Braune, M. 2019. Insekten Sachsen: Eucharis adscendens (Webseite)
Verfasserin: S.Bigalk