Der Feldhase (Lepus europaeus)
Dass es nicht von Nachteil ist ein „Hasenfuß“ oder „Angsthase“ zu sein, beweist der Feldhase (Lepus europaeus) mit seiner Überlebensstrategie. Durch seine Rolle im Ökosystem, als Beutetier, sind Achtsamkeit und beeindruckende hakenschlagende Fluchten seine Stärken. Er kann dabei zur Not auch seine guten Schwimmkünste unter Beweis stellen. Aber auch sein Fortpflanzungsverhalten, das auf Quantität setzt, ist für sein Überleben entscheidend. In der Dämmerung, wenn der Tag langsam dem Nachtleben weicht, beginnt die Zeit der Feldhasen.
Feldhasen sind Säugetiere und gehören, wie ihr Name schon verrät, zu der Ordnung der Hasenartigen (Lagomorpha). Sie sind vor allem für ihre bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit bekannt. Feldhasen leben von Europa bis Westasien und in Nordafrika. Mit ihrem gelb- bis rotbraunen Rücken verschwinden sie fast in ihrer Umgebung, die von offenen Landschaften, wie Getreidefeldern bis hin zu Wiesen, variiert. Dort versteckt er sich geschickt in einer Kuhle, auch Sasse genannt, zwischen hohen Gräsern (Abb. 1). Da Feldhasen Beutetiere sind, flüchten sie bei drohender Gefahr hakenschlagend, jedoch versuchen sie sich so lange wie möglich in ihrer Sasse „unsichtbar“ zu machen. Beim Hakenschlagen ändern Hasen abrupt die Richtung, um den Räuber zu verwirren und sich einen Vorsprung zu verschaffen. Ihre Sprünge sind bis zu drei Meter weit und zwei Meter hoch. Auf der Flucht können sie Höchstgeschwindigkeiten von 80 km/h erreichen. Sie sind ausdauernde Langstreckenläufer. Um diese Spitzenleistungen zu vollbringen, benötigen sie lange und sehr kräftige Hinterbeine. Feldhasen sind aufgrund ihrer Lebensweise hauptsächlich auf zwei Sinnesorgane angewiesen: ihre ausgezeichneten Augen und ihr herausragendes Gehör. Durch die seitliche Stellung ihrer großen Augen haben sie fast einen Rundumblick auf ihre Umgebung. Ihre auffällig langen Ohren werden auch „Löffel“ genannt (Abb. 2). Durch die schwarzen Spitzen lassen sie sich eindeutig von Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) unterscheiden, deren Ohren nicht schwarz gefärbt sind. Die Ohren der Feldhasen sind so lang, dass sie, wenn sie nach vorn geklappt würden, deutlich länger als die Schnautzenspitze wären. Um einen Feldhasen von einem Alpenschneehasen (Lepus timidus) zu unterscheiden wird der Schwanz betrachtet. Der Schwanz der Alpenschneehasen ist komplett weiß, während der der Feldhasen unten weiß und oben schwarz gefärbt ist. Sie wiegen zwischen drei und sechs Kilogramm und erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge von 49 bis 67 cm.
Besonders faszinierend ist das Fortpflanzungsverhalten der Feldhasen. Während der Paarungszeit kämpfen die Männchen um die Gunst der Weibchen, was zu spektakulären Verfolgungsjagden oder Boxkämpfen führt. Diese Kämpfe sind nicht nur eine Frage der Stärke, sondern auch der Geschicklichkeit und Schnelligkeit. Während der Paarungszeit kann man mehrere Häsinnen und Hasen gemeinsam beobachten, aber ansonsten sind Feldhasen Einzelgänger. Die Weibchen wählen die Partner und paaren sich teilweise mit mehreren Männchen, sodass es zu Mehrfach-Vaterschaften in einem Wurf kommen kann und damit zu Embryonen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Dieses Phänomen bezeichnet man als Superfötation. Dadurch kann eine Häsin bis zu vier Würfe im Jahr austragen. Ein Wurf besteht aus zwei bis vier Jungen, die mit offenen Augen und Fell geboren werden. Durch die verschiedenen Väter wird die genetische Diversität des Nachwuchses erhöht und damit die Anpassungsfähigkeit und Stabilität der Population positiv beeinflusst. Die kleinen Feldhasen sind Nestflüchter und direkt nach der Geburt Fressfeinden und dem Wetter ausgesetzt. Die Häsin kommt zwar regelmäßig zum Säugen vorbei, aber ansonsten sind die kleinen Hasen größtenteils auf sich allein gestellt.
Feldhasen sind ausschließlich Pflanzenfresser und fressen Gräser und Kräuter. Außerdem stehen Triebe, Knospen und Blätter, sowie Feldfrüchte auf ihrer Speisekarte. Im Herbst und Winter ändert sich die Zusammensetzung der Nahrung hinzu mehr Samen und Rinde. Feldhasen produzieren eine besondere Art von Kot (Blinddarmkot), den sie regelmäßig erneut zu sich nehmen um die enthaltenen Nährstoffe besser aufzunehmen, da sie ansonsten schwer verdauliche Pflanzenteile fressen. Dieses Verhalten nennt sich Cäcotrophie.
Der Feldhase nimmt im Ökosystem die Rolle eines Beutetiers ein und ist Nahrungsquelle für verschiedene Räuber, wie Greif- und Rabenvögel, sowie Raubtiere (Carnivora) zum Beispiel Füchse. Es fallen vor allem junge Hasen den Räubern zum Opfer, weshalb auch nicht alle das Erwachsenenalter erreichen. Ein Feldhase kann bis zu 12 Jahre alt werden. Durch ihre Fressgewohnheiten haben Feldhasen Einfluss auf die Vegetation. Sie fördern die Biodiversität, indem sie beispielsweise konkurrenzstarke Pflanzen fressen und somit Platz für konkurrenzschwächere Pflanzen frei wird. Die bereits erwähnten Sassen des Feldhasen leisten auch einen Beitrag bei der Strukturierung von Lebensräumen.
Literatur zum direkt Nachlesen
Webseite des NABU Nordrhein-Westfalen: Jagdbare Arten - Der Feldhase
M. Schaefer (2018): Brohmer Fauna von Deutschland. Quelle & Meyer ISBN: 9783494017600
U. Schmid (2001): 100 Tiere Heimische Arten, die man kennen sollte. Kosmos ISBN: 9783440088464
U. Zimmer (1989): BLV Tier- und Pflanzenführer für unterwegs. BLV ISBN: 9783405135907
Verfasserin: Anna Behringer