Alleskönner vom Straßenrand bis auf den Teller:
Die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus)
Bei ihr ist der Name Programm, denn die Wegwarte ist häufig auf nährstoffreichen Randstrukturen und Ruderalflächen wie z.B. Straßenrändern, Böschungen, Brachen und Viehweiden zu finden. In ihrer Blütezeit von Juni bis Oktober lässt sich die Wegwarte sehr leicht an ihren charakteristischen Blütenständen erkennen (Abb. 1). Die auffällig leuchtend himmelblauen bis manchmal weißen „Blüten“ bestehen aus einer sternförmigen Ansammlung vieler kleiner Einzelblüten, deren Blütenblätter jeweils zu einer einzelnen sogenannten Zungenblüte verwachsen sind. Deshalb spricht man hier auch von Blütenkörbchen, wie sie typisch für die Pflanzenfamilie der Korbblütler (Asteraceae) sind. Dabei erreicht der häufig stark verzweigte Blütenstand (Abb. 2) eine Wuchshöhe von 30 bis 150 cm, an warmen und ungemähten Standorten sind sogar bis zu 200 cm möglich.
Die grünen Pflanzenteile dienen vielen Insekten wie zum Beispiel Schmetterlingsraupen der Karden-Sonneneule (Heliothis viriplaca) (Abb. 5), Wanzen und Blattläusen als Nahrungsquelle, während die in den sonnigen Tagesstunden geöffneten Blüten mit ihrem Nektar vor allem Schwebfliegen und Wildbienen locken. Durch ihre lange Blütezeit, die sich bei milder Witterung und einer Mahd unmittelbar nach der ersten Blüte in einer sogenannten Nachblüte sogar bis in den November hinein verlängert, ist die Wegwarte eine sehr wichtige Pollenquelle, die viele Wildbienen für die Verproviantierung ihrer Brut benötigen. 38 Wildbienenarten nutzen den Pollen der Wegwarte, darunter viele Schmalbienen wie z.B. die wenige Millimeter große Dunkelgrüne Gold-Schmalbiene (Lasioglossum morio) (Abb. 6), Furchenbienen wie die Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae) (Abb. 7), Zottelbienen wie die Stumpfzähnige Zottelbiene (Panurgus calcaratus), Seidenbienen und Mauerbienen.
Literatur zum direkt Nachlesen
Die gemeine Wegwarte ist eine sogenannte ausdauernde Pflanze, die mehrere Jahre alt wird und jährlich zur Blüte kommt. Die rosettenförmig angeordneten, zum Teil stark gezähnten Grundblätter (Abb. 3) ähneln denen des Löwenzahns und liegen sehr dicht über dem Boden. In Kombination mit der tiefreichenden Pfahlwurzel ist es der Wegwarte so möglich, auch sehr extreme Lebensräume mit hoher mechanischer Belastung und Störung des Bodens wie zum Beispiel Wegesränder, Weiden mit Viehtritt und sogar Risse auf asphaltierten Straßenrändern (Abb. 4) zu besiedeln.
Die Wegwarte ist jedoch nicht nur für Insekten eine wichtige Nahrungsquelle sondern spielt auch auf dem Speiseplan von uns Menschen eine nicht unerhebliche Rolle. Sowohl Wurzeln, Knospen als auch ihre Blätter sind essbar und werden in verschiedenen Zuchtformen als Futterpflanze, Heilpflanze und als Nahrungsmittel genutzt. Ähnlich wie die nahe verwandte Endivie (Chicorium endivia) werden vor allem in Südeuropa verschiedene Kulturformen der Wegwarte als Salatpflanze (Chicorée, Radiccio, Salat-Zichorie) kultiviert. Durch ihre vielen Inhaltsstoffe ist die Wegwarte auch heutzutage noch eine wichtige Heilpflanze und wurde zur Heilpflanze des Jahres 2020 gewählt. Insbesondere in Zeiten von Kaffeeknappheit spielte die getrockneten, leicht bitter schmeckenden Wurzeln der Wegwarte eine wichtige Rolle, da aus ihnen der sogenannte Zichorien-Kaffee bereitet wurde und sie auch heute noch wichtige Komponente vieler Kaffee-Surrogate ist.
- Westrich, P. 2018. Die Wildbienen Deutschlands. Ulmer Verlag Stuttgart.
- Worm, R. 2020. Die Wiesenfibel. Quelle &Meyer Verlag, Wiebelsheim.
- Sebald, Seybold, Philippi, Wörz. 1996. Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. Ulmer Verlag, Stuttgart.
Verfasserin: S. Bigalk