Honigbienen versus Wildbienen: Warum Imkern kein Naturschutz ist.
Das Missverständnis mit den Bienen
Rettet die Bienen! In letzter Zeit gibt es mehr und mehr Projekte rund um den Bienenschutz. Angefangen von der Stadtimkerei, über Honigpatenschaften bis hin zum Aufruf, Honig zu kaufen. Gerade in den Medien wird die Honigbiene (Apis mellifera) oft mit Naturschutz in Verbindung gebracht und selbst fernab von der Landwirtschaft werden Honigbienen gefördert. Genau hier liegt das Missverständnis. Honigbienen, zweifelsfrei wichtige Nutztiere, werden von Imkern gehalten und sind keinesfalls gefährdet oder gar bedroht1.
Der Begriff „Bienensterben“ bezeichnet zwei unterschiedliche Phänomene: Das Schlagwort Bienensterben (englisch: colony collapse disorder, CCD) entstand in den frühen 2000er Jahren und bezeichnete den rätselhaften Verlust unzähliger Honigbienenvölker2. Doch obwohl Parasiten und Pestizide Honigbienen lokal belasten, verzeichnet der Deutsche Imkerbund seit einem Jahrzehnt stetig steigende Zahlen an Bienenvölkern. Heute wird der Begriff in einem anderen Zusammenhang verwendet. Der Fachbegriff „Bienensterben“ hat nur wenig mit der Honigbiene zu tun – hier geht es um die „anderen“ Bienen. In Deutschland sind 585 Wildbienenarten heimisch3. Doch fast die Hälfte dieser Bienen steht auf der Roten Liste Gefährdeter Arten4.
Kurz und bündig…
Wenn vom „Bienensterben“ die Rede ist, sind damit keinesfalls Honigbienen gemeint – es geht um die 585 teils vom Aussterben bedrohten Wildbienen in Deutschland. In der intensiv genutzten Agrarlandschaft fehlen oftmals die Blüten, auf deren Nektar und Pollen die Bienen angewiesen sind. Durch die Imkerei ist die Dichte an Honigbienen vielerorts unnatürlich erhöht. Dadurch entsteht zwischen Honig- und Wildbienen eine Konkurrenz- situation, bei der es um Pollen und Nektar geht. Außerdem übertragen die Honigbienen Krankheitserreger beim Blütenbesuch, sodass auch Wildbienen daran erkranken. Um die heimische Wildbienenvielfalt zu erhalten und zu fördern, sollten daher ökologisch vertretbare Höchstzahlen sowie Hygienemaßnahmen für Honigbienen eingeführt und kontrolliert werden.
Von schleckigen Bienen und Allesfressern
Bienen sind in ihrer Ernährung von zwei Ressourcen abhängig: Adulte Bienen ernähren sich von Nektar, die Larven werden mit Pollen (Blütenstaub) versorgt. Anhand des Pollensammelverhaltens unterscheiden Wissenschaftler zwischen oligolektischen und polylektischen Bienen. Oligolektische Bienen sammeln den Pollen ausschließlich auf Blüten einer kleinen Gruppe meist nah verwandter Pflanzen. So sammelt beispielsweise die Mai-Langhornbiene Eucera longicornis (Abb. 1) Pollen ausschließlich an Schmetterlingsblütlern (Fabaceae)5. Im Gegensatz dazu sammeln polylektische Bienen den Pollen verschiedenster Pflanzen. Nichtsdestotrotz haben auch polylektische Bienen meist eine Vorliebe für eine bestimmte Pflanzengruppe5. Honigbienen sind typische Beispiele polylektischer Bienen. Unter den Wildbienen ernähren sich beispielsweise die Hummeln polylektisch5.
Pollensammeln ist nichts für faule Bienen
Nektar und Pollen finden die Bienen in Wild- oder Kulturpflanzen. Während Nektar kontinuierlich nachproduziert wird, ist die Pollenmenge pro Blüte begrenzt6. Und der Pollenbedarf von Bienen ist enorm:
- Die Menge an Pollen, die ein Honigbienenvolk pro Saison sammelt, liegt – abhängig von Klima und Blütenverfügbarkeit - zwischen 6 kg in Südengland und 222 kg in Kalifornien7. Die Sammelleistung eines Honigbienenvolks in Deutschland beträgt laut einer Studie aus Ellwangen 22,4 kg Pollen in einem Jahr8. Honigbienen sind in der Lage, riesige Pollenmengen effektiv auszubeuten, da sie durch ihren Schwänzeltanz die Lage von Pollenquellen effizient kommunizieren können. Außerdem haben sie als soziale Insekten durch Stockwärme und Futtervorräte einen Vorteil gegenüber solitären Bienen6.
- Die Schwarze Mörtelbiene (Megachile parietina) benötigt für die Versorgung eines einzigen Nachkommens den Pollen von 1140 Esparsettenblüten (Onobrychis viciifolia)9. Diese stark bedrohte Wildbiene sammelt Pollen bevorzugt von Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) und Lippenblütlern (Lamiaceae).
- Die Große Wollbiene (Anthidium manicatum) besucht bevorzugt spiegelsymmetrische Blüten. Sie muss für die Versorgung eines Nachkommens den Pollen von mindestens 1005 Blüten des Aufrechten Ziest (Stachys recta) sammeln9.
Konkurrenz unter Geschwistern
Dass Honigbienen und Wildbienen zumindest teilweise die gleichen Blüten besuchen, ist schon lange bekannt10. Wissenschaftler der Universität Göttingen untersuchten, auf wie vielen Blüten sie sowohl Honigbienen als auch Wildbienen fanden. Die Studie ergab, dass Honigbienen 24 der im Untersuchungsgebiet vorkommenden Pflanzen besuchten, während sie verschiedene Wildbienen auf 57 Pflanzenarten fanden. Insgesamt 45,5 % der besuchten Pflanzen wurden sowohl von Honig- als auch von Wildbienen besucht10. In späteren Studien wurde gezeigt, dass diese Überlappung der Nahrungsressourcen bei einzelnen Wildbienenarten beträchtlich schwankt: Bei der weit verbreiteten Rostroten Mauerbiene (Osmia bicornis) beträgt die Ressourcenüberlappung 36 %, bei vielen Hummelarten (Bombus sp.) sogar bis zu 90 %9.
Problematisch wird diese Überlappung der Nahrungsressourcen, wenn Blüten selten werden. In unserer heutigen Agrarlandschaft, in der jeder Fleck intensiv genutzt wird, sind Blüten leider oft Mangelware. Massentrachten wie Raps und Obstbäume können die Nahrungsverfügbarkeit zwar kurzzeitig erhöhen, doch gerade im Hochsommer, wenn viele Bienen Pollen für die nächste Generation sammeln, ist deren Blütezeit bereits vorbei11.
Wissenschaftler stellten anhand von Daten aus den Niederlanden und Großbritannien fest, dass besonders insektenbestäubte Blütenpflanzen abnehmen. Demgegenüber nehmen die windbestäubten Pflanzen zu12. Scheuchl & Schwenninger11 argumentieren weiter, dass durch die Abnahme insektenbestäubter Blüten die Bienen weniger Nahrung finden und deshalb weniger Nachkommen produzieren. Dadurch nimmt die Bestäubungsleistung ab und folglich können die insektenbestäubten Pflanzen weniger Samen bilden. Im nächsten Schritt führt das wiederum zu einer Abnahme der Bienen, da sie nicht genug Nahrung finden, um Nachkommen zu versorgen.
Naturschutzgebiete sind mit ihrem Blütenreichtum geradezu Rettungsinseln für viele Bienen. Doch manche Imker stellen ihre Bienenstöcke bewusst in die Nähe solcher Naturschutzgebiete. So sorgen sie zum einen dafür, dass ihre Honigbienen reichlich Pollen sammeln und somit zahlreiche Nachkommen produzieren können. Zum anderen profitiert der Imker von der erhöhten Honigproduktion, die durch die hohe Nektarverfügbarkeit in den Blüten ermöglicht wird.
Allerdings führt die hohe Anzahl an Bienen pro Volk und die extrem hohe Zahl an Völkern zu einer überhöhten Dichte an Honigbienen6. Selbst in Europa und Asien, dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Westlichen Honigbiene, führte die Imkerei zu einer unnatürlich hohen Bienendichte. Eine solche Situation verstärkt den Konkurrenzdruck für Wildbienen selbstverständlich.
Die Reaktion der Wildbienen
Manche Wildbienen haben Strategien gefunden, um dem Konkurrenzdruck auszuweichen: Um die Konkurrenz mit Honigbienen zu vermeiden, können beispielsweise Dunkle Erdhummeln (Bombus terrestris) und Steinhummeln (Bombus lapidarius) den Radius ihrer Sammelflüge erhöhen13. Die Ackerhummel (Bombus pascuorum), die Waldhummel (Bombus sylvarum) und die stark gefährdete Mooshummel (Bombus muscorum) können dank ihrer langen Zunge ihre Ernährung umstellen. Droht ihnen zu viel Konkurrenz durch Honigbienen, besuchen diese Hummeln Hornklee (Lotus) anstatt den von Honigbienen ausgebeuteten Flockenblumen (Centaurea)13.
Doch die meisten Wildbienen sind kleiner als Hummeln und können oft weniger weit fliegen. Mit maximalen Flugdistanzen zwischen 300 m und 1500 m können sie den Honigbienen kaum ausweichen und sind von der Konkurrenz stärker betroffen9.
Die Sicht der Wissenschaft
Beim Thema Nahrungskonkurrenz ist die Wissenschaft zwiegespalten: 146 Studien beschäftigten sich bis 2017 mit dem Thema Honigbienen versus Wildbienen, 72 davon mit direkter Konkurrenz14. Über die Hälfte der Studien (53 %) ergab, dass Honigbienen einen negativen Effekt auf Wildbienen haben. In 28 % der Studien wurde kein Effekt gefunden und knapp ein Fünftel der Studien (19 %) zeigten gemischte, also positive und negative Effekte auf Wildbienen14.
Deutsche Wissenschaftler beschäftigten sich bereits vor gut 20 Jahren mit dem damals noch neuen Thema. Sie kamen zum Ergebnis, dass Artenvielfalt und Häufigkeit von Wildbienen auf Wiesenflächen mit und ohne Honigbienen keinen Unterschied zeigten10. Demgegenüber steht beispielsweise eine Studie des britischen Hummelforschers Dave Goulson. Diese zeigte, dass Hummeln aller vier in Schottland untersuchten Arten deutlich kleiner waren, wenn Honigbienen im Untersuchungsgebiet vorkamen. Der Erfolg des Hummelvolks steht in direkter Verbindung mit der Größe der einzelnen Hummeln, sodass die Honigbienen in dieser Untersuchung einen negativen Effekt auf Hummeln ausübten15.
Achtung, Keimschleuder!
In den letzten Jahren zeigte sich, dass der Besuch gemeinsam genutzter Blüten für Wildbienen gefährlich werden kann. 70 % aller Studien zur Übertragung von Krankheitserregern belegen, dass Honigbienen einen negativen Effekt auf Wildbienen ausüben14. Erst kürzlich konnten Forscher nachweisen, dass Hummeln an bestimmten Viren erkranken, die zuvor von Honigbienen auf die Blüten übertragen wurden16. Einmal eingetragen, haben Krankheitserreger im Honigbienenvolk leichtes Spiel. Durch den dichten Kontakt der Bienen verbreiten sich Milben, Bakterien und Viren schnell. Daher ist kaum verwunderlich, dass in der Studie die Viren in jeder der untersuchten Honigbienen fanden16. Durch den Besuch derselben Blüten sind auch andere Wildbienen in Gefahr, sich mit den Krankheitserregern anzustecken.
Mehr als nur Honig
Die Honigbiene ist ein wahrer Sympathieträger und Medienliebling unter den Insekten. Sie spielt in der Landwirtschaft bei der Bestäubung eine zentrale Rolle. Für hauptberufliche Imker ist der Verkauf von Bienenprodukten wie Honig, Propolis und Bienenwachs die Einkommensgrundlage. Dazu kommt, dass die Honigbiene die einzige Biene unserer Breiten ist, die Honig produzieren kann. Bei Tests zur Giftigkeit von Insektiziden und Pflanzenschutzmitteln dient sie oftmals als Versuchskaninchen – wissenschaftlich „Modellorganismus“.
Gerade aufgrund ihrer Nützlichkeit kommen Honigbienen vielerorts, und ganz besonders in Städten, deutlich häufiger vor als ökologisch tragbar wäre. So waren beispielsweise 2017 in Stuttgart laut Auskunft der Stadt 2320 Honigbienenvölker gemeldet17. Durch die Haltung und Pflege vom Imker sind Honigbienen nicht bedroht oder gefährdet. Auch wenn Imker oftmals sehr naturverbundene Menschen sind, hat Imkern absolut nichts mit Naturschutz zu tun.
Maßnahmen
Daher ist es unerlässlich, beim Thema „Bienensterben“ zwischen den keineswegs bedrohten Honigbienen und den in ihrer Vielfalt massiv bedrohten Wildbienen zu unterscheiden. Resultierend aus den Ergebnissen des Insektenschutzsymposiums 2018 am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart fordern internationale Wissenschaftler, dass Wildbestäuber besonders geschützt werden18. Der Neun-Punkte-Plan schlägt vor, für Honigbienenvölker – abhängig vom Lebensraum – eine ökologisch vertretbare Höchstzahl festzusetzen und im Umkreis von Schutzgebieten gegebenenfalls ein Verbot festzulegen. Bereits 2015 hatten Scheuchl & Schwenninger gefordert, dass „kontrollierte Hygieneverfahren bei der Haltung und insbesondere beim Versand von Honigbienen, Hummeln und anderer gezüchteter Wildbienenarten eingeführt werden“3.
Tipps und Hinweise zur Förderung heimischer Wildbienen finden Sie im Infomaterial auf unserer Website!
Verfasser: M. Moser
Literatur zum direkt Nachlesen
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- Scheuchl, E., Schwenninger, H. R. & Kuhlmann, M. Aktualisierung der Checkliste der Bienen Deutschlands. Stand 10.09.2018. Wildbienen-Kataster, 2018.
- Westrich, P. et al. in Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands (Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg, 2011), pp. 373–416.
- Westrich, P. Die Wildbienen Deutschlands (Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 2018).
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