Der Rainfarn (Tanacetum vulgare) und sein Blattkäfer und seine "Freunde" 

 

Offene Brachflächen und Magerrasen sind seltengewordene Paradiese für Insekten. Denn hier wachsen Pflanzen, die eine Lebensgrundlage für viele verschiedene Sechsbeiner darstellen. An diesen trockenen, nährstoffarmen und sonnigen Standorten wächst der Rainfarn (Tanacetum vulgare, Abb. 1), der von Juli bis Oktober mit seinen gelben Blütenständen viele Schmetterlinge und Wildbienen anlockt. Auch die Blätter und Stängel dienen einigen Insekten als Nahrungsgrundlage, sodass sich eine Insektengemeinschaft von etwa 73 Arten am und im Rainfarn bilden kann¹. Von diesen „Rainfarnarten“ leben wiederum viele, teils hochspezialisierte, Parasiten und Räuber.

Abbildung 2: Die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus) auf den Blüten des Rainfarns. Foto: Andreas Haselböck

 

Ein weiterer großer Teil der Insektengemeinschaft des Rainfarns wird von den Arten gebildet, die sich von der Pflanze selbst ernähren. Manche davon sind sogar an den Rainfarn gebunden und können sich von keiner anderen Pflanze ernähren. Solche Nahrungsspezialisten sind „monophag“. So zum Beispiel der nur 3mm kleine Rüsselkäfer Microplontus millefolii, dessen Larven sich ausschließlich in den Stängeln des Rainfarns entwickeln.
Doch weitaus häufiger und leichter zu erkennen ist der nach seiner Haupt-Futterpflanze benannte Rainfarn-Blattkäfer (Galeruca tanaceti). Unter den etwa 520 in Deutschland häufig sehr bunten Blattkäferarten ist der etwa einen Zentimeter große Rainfarn-Blattkäfer einer der eher unscheinbareren Vertreter. Dennoch ist er durch seine grobe Oberfläche, den eiförmigen Körperumriss und die schwarze Färbung relativ leicht erkennbar (Abb. 4).

Abbildung 4: Der Rainfarn-Blattkäfer (Galeruca tanaceti). Foto: Aron Bellersheim

Ein weiterer Parasit und sogar Fressfeind ist der Kleinkreuz-Punktkäfer (Lebia cruxminor, Abb. 8). Die Larven des auffällig orange-schwarz gefärbten, etwa 6mm langen und in Baden-Württemberg stark gefährdeten Laufkäfers saugen an den Puppen des Blattkäfers und seinen Verwandten aus der Gattung Galeruca, und machen, wie die erwachsenen Tiere, Jagd auf die Larven des Rainfarn-Blattkäfers.
Bei uns ist der Rainfarn-Blattkäfer eine typische Art des zurückgehenden mageren Grünlands, doch lässt er sich auch auf den kleineren mager gehaltenen Grasflächen nieder. Diese bilden mit ihren spezialisierten Pflanzen auch einen wichtigen Lebensraum für viele weitere Insekten.

Abbildung 6: Die Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium). Foto: Aron Bellersheim
Abbildung 8: Der Kleinreuz-Prunkläufer (Lebia cruxminor). Foto: Aron Bellersheim

Literatur zum direkt Nachlesen

Abbildung 1: Der Reinfarn (Tanacetum vulgare). Foto: Aron Bellersheim

Unter den Blütenbesuchern finden sich beispielsweise die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus, Abb. 2) sowie zwei ihrer Gattungsverwandten, die ebenfalls eine große Vorliebe für den Nektar und Pollen des Rainfarns haben. Ihr schließt sich oft die ansehnliche Gewöhnliche Filzbiene (Epeolus variegatus, Abb. 3) an, die als Kuckucksbiene ihre Larven von Sandbienen versorgen lässt und selbst gerne die Blütenstände des Rainfarns besucht, um Nektar zu trinken.

Abbildung 3: Die Gewöhnliche Filzbiene (Epeolus variegatus). Foto: Andreas Haselböck

Den von Westeuropa bis Japan verbreiteten Käfer kann man vor allem auf eher trockenen und sonnigen Wiesen sowie auf Ruderalflächen finden. Dort wachsen verschiedene Korbblütler wie der Rainfarn, die Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium, Abb. 5) und die Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea, Abb. 6), von denen sich die Larven und erwachsenen Tiere ernähren. Wie bei vielen Blattkäfern sind momentan im Winter vom Rainfarn-Blattkäfer nur die überwinternden Eier zu finden. Trotz der Strapazen werden diese von den Weibchen, die vor der Eiablage stark angeschwollenen und wegen ihres Gewichtes flugunfähig sind, an meist trockene aus der Krautschicht hervorragende Stängel gelegt. Die Eiablage findet vom Spätsommer bis Ende Herbst statt, wobei die Tiere bei Temperaturen bis nahe zum Gefrierpunkt aktiv sein können². Die bis etwa 20 zunächst orangen und weichen Eier werden in kompakten Paketen abgelegt und mit einem schaumigen Sekret bedeckt, das schnell aushärtet und sich schwarz färbt. Dieses dient als Isolation, Imprägnierung und schützt die Eier vor Fressfeinden.³

Die neue Generation schlüpft dann als kleine schwarze Larven schon im April und frisst sich meist an den bereits erwähnten Korbblütlern satt. Nach ein bis zwei Monaten und zwei Häutungen wird es für die nun über einen Zentimeter langen Larven Zeit für die Verpuppung. Dafür suchen sie sich geschützte Stellen unter Blättern am Boden oder sie graben sich wenige Zentimeter in den Boden hinein. Nach etwa drei Wochen Puppenruhe schlüpfen die ausgewachsenen Käfer ab Ende Juni bis Juli aus ihrem Kokon.

Ein erwähnenswertes Insekt, das nahe mit dem Rainfarn-Blattkäfer in Verbindung steht ist die Erzwespe Oomyzus galerucivorus (Abb. 7). Die winzige Wespenverwandte parasitiert die Eier des Käfers und ist für ihre Fortpflanzung auf diesen angewiesen. Gleichzeitig spielt sie eine sehr wichtige Rolle in der Bestandsregulation des Käfers und befällt teilweise bis zu 90% der gelegten Eier³. Diese Erzwespe wird sowohl von dem Geruch des Sekretes, das von den Käferweibchen während der Eiablage abgegeben wird, als auch vom Geruch der von ihrem Wirt bevorzugten Pflanzen angelockt. Deshalb suchen sich die Rainfarn-Blattkäfer häufig Flächen mit einer hohen Dichte und Vielfalt an Pflanzen, was es ihrem Haupt-Parasiten schwerer macht die Gelege zu finden.

Abbildung 5: Die Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea). Foto: Aron Bellersheim
Abbildung 7: Eine Erzwespe der Gattung Oomzyus. Foto: Sonia Bigalk
  1. Klausnitzer B (2008) Insekten an Rainfarn (Tanacetum vulgare L.) als Beispiel für die Bedeutung von Wildkräutern in der Agrarlandschaft für die Entomofauna. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz 16:99–108.
  2. Meiners T, Randlkofer B, Obermaier E (2006) Oviposition at low temperatures - late season negatively affects the leaf beetle Galeruca tanaceti (Coleoptera: Galerucinae) but not its specialised egg parasitoid Oomyzus galerucivorus (Hymenoptera: Eulophidae). European Journal of Entomology 103(4):765–770.
  3. Rheinheimer J, Hassler M (2018) Die Blattkäfer Baden-Württembergs. Kleinsteuber Books, Karlsruhe.

Verfasser: A. Bellersheim