Ökosystem im Miniaturformat: Die Rosengalle
Gallwespen sind zwar nur wenige Millimeter groß, haben aber eine sehr effektive Methode entwickelt, um ihrem Nachwuchs eine geschützte Kinderstube zu bieten. Die Eier werden in bestimmte Pflanzenarten gelegt. Die schlüpfenden Larven fressen sich durch das Pflanzengewebe, das daraufhin zu wuchern beginnt. Diese Auswüchse der Pflanzen werden Gallen genannt. Dabei ist jede Gallwespenart auf eine bestimmte Wirtspflanze und sogar bestimmte Teile ihrer Wirtspflanze, wie zum Beispiel Blatttriebe, Blüte, Früchte oder Wurzeln spezialisiert. Auch die Form und Beschaffenheit der einzelnen Gallen variiert je nach erzeugender Gallwespenart.
Rosengallen (Abb. 1), auch Bedeguar, Rosen- oder Schlafapfel genannt, gehören zu den auffälligsten und häufigsten Gallen an Wildrosen, vor allem der Hundsrose (Rosa canina) die an Wegesrändern, Gebüschen, Wiesensäumen, im Wald oder sogar im eigenen Garten zu finden sind. Galten die bis zu mehreren Zentimetern großen, hellbraun bis leuchtend rot gefärbte, zottige Gebilde vor einigen Jahrhunderten noch als Hausmittel gegen Haarausfall oder Schlaflosigkeit, ist inzwischen bekannt, dass sie die Kinderstube der nur etwa 4 Millimeter großen Gemeinen Rosengallwespe (Diplolepis rosae) (Abb. 2) darstellen.
Nichtsdestotrotz können weibliche Rosengallwespen durch ihre hohe Anzahl an Nachkommen eine erhebliche Menge an Rosengallen an ihren Wirtspflanzen verursachen. Meist beeinträchtigt dies ihre Wirtspflanzen nicht. Zudem findet sich schnell eine ganze Anzahl an ebenfalls nur wenige Millimeter großen parasitischen Wespen ein, die nicht nur vom Schutz der Rosengalle profitieren sondern auch die Larven der Rosengallwespen als Nahrungsressource nutzen (Abb. 4). Die Larve der Schwarzen Rosengallwespe (Periclistus brandtii) lebt als sogenannter Einmieter in der Rosengalle und ernährt sich ebenfalls durch das Pflanzengewebe. Sie ist die Hauptbeute der Räuberischen Rosenerzwespe (Eurytoma rosae) deren Larve sich auf der Suche nach Beute aktiv durch die Rosengalle fortbewegt. Andere Wespenarten wie die Gezeichnete Rosenerzwespe (Glyphomerus stigma) und die Gelbe Rosenschlupfwespe (Orthopelma mediator) haben sich auf die Larve der Gemeinen Rosengallwespe als Wirt spezialisiert. Mit ihrem langen Legebohrer können sie gezielt je eines ihrer Eier in eine Larvenkammer ablegen. Da sie jeweils nur eine Wirtslarve als Nahrung benötigen und sich auf deren Kosten entwickeln, werden sie als Parasitoide bezeichnet. Eine Stufe weiter gehen die sogenannten Hyperparasitoide wie die Langstachelige Rosenerzwespe (Torymus bedeguaris) und die Gemeine Rosenerzwespe (Pteromalus bedeguaris), die sich auf die Larven der Parasitoiden als Wirte spezialisiert haben. Mit bis über einem Dutzend verschiedener beteiligter Arten entsteht so aus jeder Rosengalle ein eigenes kleines Ökosystem, dessen Beteiligte sich gegenseitig regulieren und so dafür sorgen, dass sich ein stabiles Gleichgewicht zwischen den einzelnen Arten einstellt und das mit etwas Glück vor der eigenen Haustüre beobachtet werden kann.
Zwischen Mai und Juni legen die Weibchen der Rosengallwespe ihre Eier direkt in die frischen Blattknospen ihrer Wirtsrosen. Nach wenigen Tagen schlüpfen die Larven aus ihren Eiern und beginnen, sich durch das Pflanzengewebe zu fressen. Jetzt beginnt das Wachstum der Galle, da das Pflanzengewebe als Reaktion auf die Fraßtätigkeit der Larve zu wuchern beginnt. Wie genau dieser Prozess abläuft ist jedoch noch nicht bekannt. Während der Gallbildung entstehen die dickwandigen Kammern (Abb. 3), welche die Gallwespenlarven schützen und die mit nährstoffreichen Zellen ausgekleidet sind, von denen sich die Larven ernähren. Häufig verschmelzen die Wucherungen zu großen Gallen die mehrere Dutzend von jeweils einer Larve bewohnte Kammern enthalten können. Die langen haarartigen Anhänge der Rosengallen bieten einen zusätzlichen Schutz vor Fressfeinden. Nach etwa zwei Monaten ist das Wachstum der Rosengallen abgeschlossen. Die Gallwespenlarven überwintern in ihrer Galle und verpuppen sich erst im folgenden Frühjahr. Im Frühsommer schlüpfen die fertig entwickelten Gallwespen und leben nun nur noch wenige Wochen, bis sie ihre Eier abgelegt haben. In Mitteleuropa sind Männchen der Rosengallwespen extrem selten, da aus den unbefruchteten Eiern der Weibchen nur Weibchen schlüpfen können. Die Ursachen für dieses Phänomen sind jedoch nicht eindeutig bekannt. Jedoch wird eine unterschiedlich hohe Infektionsrate mit Wolbachien in Betracht gezogen. Diese Bakterien können verschiedenste Insekten befallen und werden über die mütterliche Linie vererbt, weshalb sie zum Beispiel bei Hautflüglern zum Tod des männlichen Nachwuchses führen.
Literatur zum direkt Nachlesen
- Bellmann, H. 2011. Geheimnisvolle Pflanzengallen: Ein Bestimmungsbuch für Pflanzen- und Insektenfreunde. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim.
- László, Z. & Tóthmérész, B. 2009. Optimal clutch size of the gall wasp Diplolepis rosae (Hymenoptera: Cynipidae). Entomologica Fennica.
- Sorg, M. 2007. Rosengallen. Mitteilungen aus dem Entomologischen Verein Krefeld (Link zum PDF)
- Todorov, I. et al. 2012. Studies on the Gall Community of Diplolepis rosae (Hymenoptera: Cynipidae) in Vitosha Mountain, Bulgaria. Acta Zoologica Bulgarica. (Link zum PDF)
Verfasserin: S. Bigalk