Nährstoffzeiger mit integriertem Katapult:
Der Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense)
Durch seine hell-blauvioletten Blüten und die großen handförmigen tief gefiederten Blätter (Abb. 1) ist der Wiesen-Storchschnabel ein markanter und weit verbreiteter Wiesenbewohner, der durch seine lange Blütezeit bis in den Herbst hinein eine wichtige Nahrungsquelle für viele Insekten darstellt.
Der Wiesen-Storchschnabel wird 20-80cm hoch und kann auch ohne Blüte an den handförmig gefiederten Blättern erkannt werden, deren 5-7 „Finger“ nochmals tief gesägt sind. Stängel und Blätter sind dicht mit nach unten gerichteten Haaren bedeckt (Abb. 2), zu denen auch Drüsenhaare mit ätherischen Ölen gehören, die die Pflanze vor Fraß schützen sollen. Die 3-4cm großen Blüten bestehen aus 5 meist hell-blauvioletten bis manchmal weißen Kronblättern die zum Blütenzentrum hin heller werden. Die einzelnen Blüten blühen nur wenige Tage. Nach der Bestäubung entwickeln sich die Fruchtkörper, deren langgestreckte, spitze Form der Gattung der Storchschnäbel ihren Namen gab. Auch der wissenschaftliche Gattungsname Geranium stammt von dem griechischen Wort „géranos“ (Kranich) ab, der sich ebenfalls auf die Form der Frucht beziehen, die an einen Storchen- oder Kranichkopf mit langem Schnabel erinnern (Abb. 2 & 3). Der Artzusatz pratense stammt vom lateinischen „pratensis“ ab, was auf Wiesen wachsend bedeutet. Die eigentümliche Form der Fruchtkörper hat bei den Storchschnäbeln eine spezielle Funktion: Sie dienen als Katapult. Dabei sitzen die Samen an dünnen Grannen befestigt an der Basis der Fruchtkörper bis sie reif sind. Durch das langsame Austrocknen des Fruchtkörpers entsteht Spannung, die sich durch das ruckartige Aufplatzen des Fruchtfächers löst (Abb. 4). Dabei werden die reifen Samen bis zu 2m weit geschleudert, weshalb sie auch als Katapultfrucht bezeichnet werden. Zusätzlich können die Samen auch durch das Abtragen oder Zusammenrechen von Mähgut im Herbst verteilt werden. Bei den Samen des Wiesen-Storchschnabels handelt es sich um sogenannte Kältekeimer, was bedeutet, dass sie eine gewisse Zeitspanne mit niedrigen Temperaturen im Winter benötigen, um im Frühjahr keimen zu können.
Zu finden ist der Wiesen-Storchschnabel auf sonnigen bis halbschattigen, nährstoffreichen Wiesen auf schwach sauren bis kalkreichen Böden. Dabei kommt er meist in Tieflagen und sehr selten bis auf etwa 1200m Höhe vor, da er in höheren Lagen ab 400m zunehmend durch den Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum) abgelöst wird. Die rötlich-violetten Blüten des Wald-Storchschnabels ähneln denen des Wiesen-Storchschnabel stark, jedoch sind die einzelnen „Finger“ der Blätter des Wiesen-Storchschnabels deutlich stärker und tiefer gefiedert. Neben dem Wald-Storchschnabel gibt es noch einige andere Arten der Gattung Geranium mit denen der Wiesenstorchschnabel verwechselt werden könnte. Diese weisen allerdings meist kleinere Blüten und eine andere Blattform auf.
Der Wiesen-Storchschnabel ist eine sogenannte ausdauernde krautige Pflanze, was bedeutet, dass die Pflanze mehrjährig ist, aber nur die unterirdischen Pflanzenteile überwintern und Blätter und Blüten jedes Jahr neu austreiben, da sie nicht verholzen. Dadurch sind sie in der Lage, auch nach radikalen Rückschnitten, wie zum Beispiel bei der Mahd (dem Mähen einer Wiese, siehe auch den Flyer „Weniger ist mehr – Wie richtiges Mähen die Artenvielfalt zurück bringt“ im Frühsommer erneut zur Blüte zu kommen. Werden dabei nie alle Pflanzen auf einmal gemäht, können die Blüten des Wiesen-Storchschnabels so von Juni bis in den späten Oktober (Abb. 5) hinein als Pollen- und Nektarquelle für viele verschiedene Insekten wie Schwebfliegen, Schmetterlinge und Wildbienen dienen. Die nur 5-6mm große Acker-Schmalbiene (Lasioglossum pauxillum) (Abb. 6) bildet pro Jahr mehrere Generationen aus. Deshalb benötigt sie von Ende März bis etwa Mitte September verschiedene Nahrungspflanzen, zu denen ab dem Sommer auch der Wiesen-Storchschnabel zählt.
Literatur zum direkt Nachlesen
- Westrich, P. 2018. Die Wildbienen Deutschlands. Ulmer Verlag, Stuttgart.
- Worm, R. 2020. Die Wiesenfibel. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim.
- Brodtbeck, Zemp, Frei, Kienzle, Knecht. 1997. Flora von Basel und Umgebung. Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaften beider Basel, Vol.2.
Verfasserin: S. Bigalk