Hot oder Schrott? Samentüten zur Rettung der Insekten!
Gut gemeint, aber schlecht gemacht
Der oder die Gartenbesitzer:in meint es gut, wenn er oder sie im Vorbeigehen eine der Blühmischungen mitnimmt. Die Versprechen der Hersteller sind groß. „Insektenfreundlich“, „nützlingsfreundlich“, „bienenfreundlich“ sind nur einige der Schlagwörter auf den Verpackungen. Und die Lage ist ernst, denn zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen einen Rückgang der Insekten weltweit. Dort wo früher ein buntes Treiben von Wildbienen, Käfern und Schmetterlingen herrschte, ist es nun still geworden. Den Insekten fehlt es durch die Vereinheitlichung der Landschaft an Lebensraum und Wildpflanzen als Nahrung. Bis zum Beginn der Untersuchung der Universität Hohenheim gab es hierzu kaum Daten. Jetzt kann die Frage, ob Blühmischungen aus Baumarkt und Gartencenter wirklich dazu geeignet sind die Insekten zu fördern, beantwortet werden.
Das Ergebnis ist enttäuschend
Nach der Untersuchung blieb von den Versprechen der Hersteller nicht mehr viel übrig.
Die erste Mischung „4 in 1 Saatgut-Kollektion – Bewegende Sommernacht – Fledermaus-Blumenauswahl“ („Bee Friends“ von G Plants UK) enthält die Samen von den Pflanzen Ziertabak (Nicotiana alata), Rosa Nachtkerze (Oenothera speciosa), Levkojen (Matthiola sp.) und Eisenkraut-Hybriden (Verbena x hybrida). Keine der Pflanzen ist in Deutschland heimisch. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 ist die Rosa Nachtkerze sogar teilweise für den Tod von Taubenschwänzchen verantwortlich, da sie sich bei der Suche nach Nahrung in der Blüte mit ihrem Rüssel „verfangen“.
Die zweite Mischung „Nützlingsfreundlich – Kräuterbankett“ findet man gerade jetzt zum Frühlingsbeginn im Baumarkt TOOM. Die Mischung enthält zehn verschiedene Kräuter, von denen aber lediglich vier heimisch sind. Mit 25 % enthält die Mischung am meisten Samen des Lavendel, der als Nektarquelle für viele Schmetterlings- und Hummelarten dient. Andere nützliche Arten, wie Echter Dost (Origanum vulgare) und Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) sind aber nur zu sehr geringen Anteilen vertreten.
Die dritte Mischung “Balkonstauden” von Kiepenkerl enthält insgesamt 24 verschiedene Pflanzenarten, wovon 17 identifiziert werden konnten. Davon sind nur neun Pflanzenarten einheimisch, was 64,7 % der Packung entspricht. Eine der enthaltenen Arten, das Lanzettblättrige Mädchenauge (Coreopsis lanceolata), ist für keine der Insekten nützlich, aber auch nur zu 0,4 % enthalten. Ein absoluter Insektenliebling ist die Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium), die 28 Wildbienen-, 80 Schmetterlings- und elf Käferarten als Nahrung dienen kann.Sie ist jedoch nur zu 3,3 % in der Mischung enthalten. So sind einige der enthaltenen Pflanzenarten nützlich für Insekten. Es wäre jedoch besser, wenn mehr Pflanzenarten heimisch und die nützlichsten Pflanzenarten zu einem höheren Prozentanteil vertreten wären.
Die vierte Mischung “Bienenfutterpflanzen” von Kiepenkerl beinhaltet insgesamt 23 verschiedene Pflanzenarten, wovon 19 identifiziert werden konnten. Fünf davon sind jedoch in keinerlei Hinsicht nützlich für Insekten. Zudem sind nur 31,6 % heimische Pflanzen. Auch hier ist die nützlichste Pflanze, der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare), welche für mindestens 39 Wildbienen-, 76 Schmetterlings- und 6 Käferarten von Vorteil ist, nur zu 1,9 % enthalten. Mit einem Anteil von 52,8 % ist zum Großteil Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas) in der Packung vertreten. Die Pflanze ist zwar nützlich für einige Insekten, für den großen Anteil der Samenmischung könnte dies jedoch noch weitaus diverser sein. Diese Ebenso sollte die Mischung mehr einheimische Pflanzenarten beinhalten.
Kurz und bündig...
Die Zahl der Insekten geht zurück und schweift der Blick in unsere Landschaft, werden die Ursachen für ihr Schwinden schnell klar: Nahrungsmangel und Lebensraumverlust. Um den Insekten zu helfen, stellen immer mehr Naturfreunde und Hobbygärtner Flächen für Insekten zur Verfügung. Dabei kommen oftmals bunte, als „insektenfreundlich“ angepriesene Blühmischungen zum Einsatz. Ob im Baumarkt, im Gartencenter oder an der Supermarktkasse, mittlerweile sind sie fast überall erhältlich. Doch eine Forschungsgruppe von Studierenden der Universität Hohenheim und Mitgliedern der Bunten Wiese Stuttgart hat diese Mischungen genauer untersucht und festgestellt, dass die enthaltenen Pflanzenarten mitunter sogar gefährlich für Insekten sein können.
Samen zählen und bestimmen – Methode
Insgesamt wurden im Rahmen der Forschungsarbeit vier Samenmischungen ausgewertet. Dazu wurden die Samen jedes Tütchens sortiert, gezählt (Abb. 1) und anhand von Bildern des Bochumer Botanischen Vereins e. V. bestimmt. Samen, die besonders schwer zu identifizieren waren, wurden eingepflanzt und nach dem Auskeimen soweit möglich bestimmt (Abb. 2). Danach wurde in der Literatur recherchiert, welche Wildbienen-, Schmetterlings- und Käferarten von den enthaltenen Pflanzen als Ganzes profitieren können. Dies trifft insbesondere auf heimische Pflanzen zu. Die heimischen Insektenarten haben sich im Laufe ihrer Entwicklung an die verschiedensten Pflanzenarten angepasst. So ist Andrena pandellei (Abb. 3) beispielsweise auf die Gattung Campanula spezialisiert und gilt als gefährdet.
Fazit: Es gibt starke Schwankungen in der Nützlichkeit der Samenmischungen für Insekten. Die erste Mischung „4 in 1 Saatgut-Kollektion – Bewegende Sommernacht – Fledermaus-Blumenauswahl“ hat hier mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten. Diese Packung kostet 1,49 €. Die dritte Mischung „Balkonstauden“, welche am Besten abgeschnitten hat, kostet 2,79 €. Somit ist der Preis wenn dann nur eine kleine Orientierung. Positive Beispiele für insektenfördernde Pflanzen sind die Wilde Möhre (Daucus carota), welche mehr als 67 Arten dient, oder der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare L.). Diese sind beide in der vierten Mischung „Bienenfutterpflanzen“ enthalten. Regionale Samenmischungen zu kaufen ist besser als nichts zu tun. Jedoch sollte dabei darauf geachtet werden, welche Pflanzen enthalten sind. Mischungen, die speziell für Bienen, Schmetterlinge oder allgemein Nützlinge werben und heimische Pflanzen enthalten, sind dabei zu bevorzugen. Regionales Saatgut kann beispielsweise über den Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V. bezogen werden. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass die enthaltenen Samen auf der Packung genannt werden. Eine Alternative zu den Samenmischungen wäre richtiges Mähen. Dabei sollte nur zweimal im Jahr gemäht werden und an wechselnden Stellen ein Teil als Rückzugsort für Tiere und Pflanzen stehen gelassen werden. So können im Boden enthaltene heimische Samen auskeimen.
Verfasser: M. Geiselmann & C. Wagner
Literatur zum direkt Nachlesen
- Böhme, J. (2001): Phytophage Käfer und ihre Wirtspflanzen in Mitteleuropa. Ein Kompendium. Bioform.
- Ebert, G. (2005): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10: Ergänzungsband. Eugen Ulmer KG, Stuttgart.
- v. Hagen, E. & Aichhorn, A. (2018): Hummeln. Fauna Verlag.
- Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer KG, Stuttgart.
- Zlatkov, B., Beshkov, S. & Ganeva, T. Oenothera speciosa versus Macroglossum stellatarum: killing beauty. Arthropod-Plant Interactions 12, 395–400 (2018). https://doi.org/10.1007/s11829-017-9588-3
Weiterführende Links
Link zu heimischem Saatgut: https://www.natur-im-vww.de/